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Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung – Eine neue Diagnose in der Sexualwissenschaft

Einleitung

Die Sexualität eines Menschen ist ein weites Feld, das viele Facetten hat – sowohl positive als auch herausfordernde. Eine der neueren Entwicklungen im Bereich der Sexualwissenschaft ist die Aufnahme der zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung (Compulsive Sexual Behavior Disorder, CSBD) in die 11. Ausgabe der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11). Diese Diagnose bietet Fachleuten im Bereich der Sexualwissenschaft neue Einblicke und Handlungsansätze für die Behandlung von Personen, die unter unkontrolliertem sexuellem Verhalten leiden.

Was ist CSBD?

CSBD beschreibt das anhaltende Unvermögen, intensive, sich wiederholende sexuelle Impulse oder Triebe zu kontrollieren. Diese Unkontrollierbarkeit äussert sich oft in problematischem Verhalten, das trotz negativer Folgen fortgesetzt wird. Dabei können sowohl das eigene Wohlbefinden als auch soziale Beziehungen erheblich beeinträchtigt werden. Besonders bemerkenswert ist, dass CSBD nicht auf eine spezifische sexuelle Aktivität beschränkt ist – es kann sich um problematisches Verhalten in Bezug auf Masturbation, Pornografiekonsum oder sexuelle Handlungen mit anderen handeln.

Was unterscheidet CSBD von einer Sucht?

Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung, dass unkontrollierbare sexuelle Impulse eine “Sexsucht” darstellen, wird CSBD nicht als Sucht klassifiziert. Vielmehr handelt es sich um eine Impulskontrollstörung, die in der ICD-11 unter den psychischen und Verhaltensstörungen gelistet wird. Diese Unterscheidung ist entscheidend für das Verständnis und die Behandlung der Betroffenen. Zwar gibt es Gemeinsamkeiten zwischen CSBD und Suchterkrankungen, wie etwa Entzugserscheinungen und Toleranz, doch die diagnostischen Kriterien konzentrieren sich auf die Kontrolle der Impulse, nicht auf den zwanghaften Drang nach Befriedigung.

Die Komplexität der Diagnose

Studien haben gezeigt, dass Personen, die unter CSBD leiden, oft mit weiteren psychischen Problemen zu kämpfen haben. Depressive Störungen, Substanzmissbrauch und Impulskontrollstörungen treten häufig parallel zu CSBD auf, was die Behandlung erschwert. Ein umfassender therapeutischer Ansatz, der sowohl die sexuelle Problematik als auch begleitende psychische Erkrankungen berücksichtigt, ist daher unerlässlich.

Was bedeutet CSBD für die Sexualwissenschaft?

Die Aufnahme von CSBD in die ICD-11 ist ein bedeutender Schritt, um zwanghaftes sexuelles Verhalten wissenschaftlich zu erfassen und es von pathologischen oder moralischen Bewertungen zu lösen. Dadurch entsteht ein klarer Rahmen für die Diagnose und Therapie, der es Fachleuten ermöglicht, fundierte Behandlungsansätze zu entwickeln. Doch es bleibt noch viel zu tun: Die Forschung rund um CSBD steht noch am Anfang, und viele Betroffene suchen aus Scham oder Unwissenheit keine professionelle Hilfe.

Fazit

Die zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung ist eine neue und wichtige Diagnose in der Sexualwissenschaft. Sie ermöglicht es Fachpersonen, Menschen mit problematischem Sexualverhalten besser zu unterstützen und ihnen einen Weg aus dem Leiden zu zeigen. Gleichzeitig eröffnet die Diagnose Raum für weitere Forschung, um die Stigmatisierung zu verringern und das Verständnis für sexuelle Verhaltensstörungen zu vertiefen.

Master Studentin MA6
Andrea Wälti

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Disclaimer:
Dieser Artikel basiert auf einem Essay, das im Rahmen des ersten Semesters des Masters of Arts in Sexologie von einer Studentin verfasst wurde. Das vollständige Essay kann hier gelesen werden. Das Essay dient als Lernkontrolle nach dem ersten Semester und ermöglicht den Studierenden, ihr Wissen über die verschiedenen Aspekte der Sexualwissenschaft zu vertiefen und praktisch anzuwenden.

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Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung – Einblicke in Ursachen und Therapieansätze

Einleitung

Sex sollte Freude und Nähe bringen – doch für viele Frauen ist er mit Schmerzen verbunden. Die Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung, früher bekannt als Dyspareunie und Vaginismus, bezeichnet anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Diese Erkrankung ist oft mit hohem Leidensdruck verbunden und beeinflusst nicht nur das sexuelle Erleben, sondern auch die Lebensqualität und Beziehungen der betroffenen Frauen.


Die Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung, auch bekannt als Dyspareunie und Vaginismus, ist eine komplexe Erkrankung, die mit Schmerzen im Genital- und Beckenbereich, Angst, Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur, Leidensdruck sowie einer Beeinträchtigung der Lebensqualität und Beziehungen einhergeht, deren Ursachen sowohl körperlicher (z. B. hormonelle Veränderungen, Entzündungen) als auch psychischer Natur (z. B. Trauma, negative sexuelle Erfahrungen) sind und deren Therapieansätze von multidisziplinären Maßnahmen wie Physiotherapie, Beckenbodentraining und kognitiver Verhaltenstherapie bis hin zu Achtsamkeitstraining und dem Angst-Vermeidungsmodell reichen, um den Kreislauf aus Schmerz, Angst und Vermeidung zu durchbrechen und die sexuelle Zufriedenheit sowie Lebensqualität zu fördern.

Was ist die Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung?

Diese Störung umfasst eine Reihe von Symptomen: Schmerzen im Genital- und Beckenbereich, Schwierigkeiten bei der vaginalen Penetration, Angst vor Schmerzen und Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur. Die Diagnose basiert auf verschiedenen Kriterien, wie etwa der Persistenz der Symptome über mindestens sechs Monate und dem empfundenen Leidensdruck.

Die Erkrankung kann sowohl körperliche als auch psychische Ursachen haben. Auf körperlicher Ebene spielen Faktoren wie hormonelle Veränderungen, genetische Veranlagungen oder Entzündungen eine Rolle. Psychisch können negative Erfahrungen und Ängste die Schmerzverarbeitung beeinflussen, was den Leidensdruck verstärkt und zu Vermeidungsverhalten führt.

Ursachen und psychologische Einflussfaktoren

Die Entstehung dieser Schmerzstörung ist komplex und erfordert eine biopsychosoziale Betrachtung. So wird nicht nur die körperliche Ebene berücksichtigt, sondern auch psychische und soziale Aspekte. Eine negative Wahrnehmung von Sexualität, traumatische Erfahrungen oder eine fehlende sexuelle Bildung können die Störung begünstigen. Betroffene Frauen entwickeln häufig Angst vor Schmerzen, was wiederum dazu führen kann, dass sie sexuelle Kontakte vermeiden. Dieser Kreislauf aus Schmerz, Angst und Vermeidung verstärkt die Problematik und kann zu weiteren psychosomatischen Beschwerden wie Depressionen und Angststörungen führen.

Die Rolle des Partners oder der Partnerin und die Beziehungsebene

Auch die Reaktion des Partners oder der Partnerin auf die Schmerzen spielt eine zentrale Rolle im Umgang mit der Störung. Ein*e verständnisvolle*r Partner*in, der unterstützend reagiert, kann die emotionale Belastung lindern und die sexuelle Zufriedenheit beider fördern. Eine offene Kommunikation und die gemeinsame Bewältigung der Herausforderung tragen dazu bei, dass Betroffene weniger leiden und sich wieder der sexuellen Beziehung öffnen können.

Therapieansätze und Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung der Genito-Pelvinen Schmerz-Penetrationsstörung ist komplex und erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz. Körperliche Therapien wie Physiotherapie, Beckenbodentraining und Dilatation können helfen, die Symptome zu lindern und die Kontrolle über die Muskulatur zurückzugewinnen. Gleichzeitig spielen psychotherapeutische Ansätze wie kognitive Verhaltenstherapie und Achtsamkeitstraining eine wichtige Rolle, um negative Denkmuster und Ängste abzubauen.

Ein weiterer Ansatz ist das Angst-Vermeidungsmodell, das den Umgang mit Schmerzängsten trainiert und das Vermeidungsverhalten reduziert. So wird Betroffenen geholfen, sich dem Geschlechtsverkehr ohne Angst zu nähern und schrittweise positive Erfahrungen zu sammeln.

Fazit

Die Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung ist eine schmerzhafte und belastende Erkrankung, die tief in das Leben und die Beziehungen der Betroffenen eingreifen kann. Doch es gibt Hoffnung: Durch ein multimodales Therapiekonzept und die Einbindung aller beteiligten Partner kann ein Weg zu mehr Lebensqualität und erfüllter Sexualität gefunden werden. Die Forschung rund um diese Störung ist noch jung, und es bedarf weiterer Untersuchungen, um die Therapieansätze zu optimieren und mehr Bewusstsein bei Gesundheitsexpert*innen zu schaffen.

Master Studentin MA6
Nadia Wyss

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Disclaimer:
Dieser Artikel basiert auf einem Essay, das im Rahmen des ersten Semesters des Masters of Arts in Sexologie von einer Studentin verfasst wurde. Das vollständige Essay kann hier gelesen werden. Das Essay dient als Lernkontrolle nach dem ersten Semester und ermöglicht den Studierenden, ihr Wissen über die verschiedenen Aspekte der Sexualwissenschaft zu vertiefen und praktisch anzuwenden.

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Sexualität und Querschnittlähmung – Eine Herausforderung und Chance

Einleitung

Sexualität ist ein Grundbedürfnis, doch was passiert, wenn eine Querschnittlähmung dieses intime Erlebnis verändert? Viele Betroffene stehen vor der Herausforderung, ihren Körper neu kennenzulernen. Dabei entstehen zahlreiche Fragen, die oft unbeantwortet bleiben. Es ist wichtig zu wissen, dass trotz der Einschränkungen ein erfülltes Sexualleben möglich ist. In diesem Beitrag beleuchten wir, wie Menschen mit Querschnittlähmung ihre Sexualität neu entdecken können.

Sexualität und Querschnittlähmung: Einblicke in die Herausforderungen und Chancen für ein erfülltes Sexualleben nach einer Rückenmarksverletzung. Entdecke, wie das Modell Sexocorporel und gezielte Rehabilitation Menschen mit Querschnittlähmung unterstützen, neue Erregungsmuster zu entwickeln und Intimität wiederzuentdecken.

Die physischen Herausforderungen

Personen mit Querschnittlähmung erleben gravierende Veränderungen in ihrem Sexualleben. Diese sind abhängig von der Höhe der Rückenmarkverletzung und dem biologischen Geschlecht. Eine Querschnittlähmung beeinträchtigt Nervenbahnen, die für die sexuelle Erregung und Funktionen zuständig sind. Während Männer* häufig mit Erektions- und Ejakulationsproblemen zu kämpfen haben, betrifft es bei Frauen* oft die Lubrikation und das Empfinden im Intimbereich. Doch das bedeutet nicht, dass sexuelle Erlebnisse unmöglich sind. Mit der richtigen Unterstützung können Betroffene ihre Sexualität auf neue Weise erleben.

Sexualität bei Menschen mit Vulva (MMV)

Für querschnittgelähmte Frauen* bleiben hormonell gesteuerte Prozesse wie der Eisprung und die Fruchtbarkeit intakt, auch wenn die Menstruation nach einer Verletzung für eine Weile aussetzen kann. Die Herausforderung liegt jedoch in der verminderten Sensibilität und der fehlenden Lubrikation, die den sexuellen Akt erschweren. Durch Übung und den Einsatz von Vibrationsstimulation können dennoch orgasmische Zustände erreicht werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft Schwangerschaften bei Frauen* mit Querschnittlähmung. Trotz körperlicher Einschränkungen sind gesunde Schwangerschaften und Geburten möglich. Allerdings erfordert dies zusätzliche medizinische Unterstützung, insbesondere während der Geburt, um Komplikationen wie Blasenprobleme oder Atemnot zu vermeiden.

Sexualität bei Menschen mit Penis (MMP)

Männer* mit Querschnittlähmung kämpfen häufig mit Erektionsstörungen, da die nervale Steuerung beeinträchtigt ist. Mechanische Hilfsmittel wie Vakuumpumpen oder medikamentöse Therapien können helfen, eine Erektion zu erzielen. Auch operativ eingesetzte Prothesen sind eine Option für Männer*, die eine dauerhafte Lösung suchen.

Obwohl es oft nicht zu einem natürlichen Samenerguss kommt, gibt es Möglichkeiten, Sperma für eine künstliche Befruchtung zu gewinnen. Durch Vibrationsstimulation oder rektale Elektrostimulation kann die Zeugungsfähigkeit auch bei schwerwiegender Lähmung unterstützt werden.

Die sexuelle Rehabilitation

Nach einer Querschnittlähmung durchlaufen Betroffene oft mehrere Phasen der sexuellen Rehabilitation. In der ersten Phase herrscht Verunsicherung und die Wahrnehmung des eigenen Körpers kann negativ beeinflusst sein. Viele fühlen sich unattraktiv oder unfähig, sexuelle Nähe zu erleben. Es ist wichtig, dass Betroffene in ihrem eigenen Tempo lernen, neue Wege zur sexuellen Erregung zu entdecken.

In der zweiten Phase des Experimentierens beginnen sie, neue sexuelle Möglichkeiten zu erforschen. Erfolgserlebnisse steigern das Selbstwertgefühl und fördern die Akzeptanz des eigenen Körpers. Schliesslich erreichen viele die dritte Phase des Geniessens, in der sie die Querschnittlähmung als Chance sehen, Sexualität neu zu erleben.

Das Modell Sexocorporel als Unterstützung

Das Modell Sexocorporel bietet einen lösungsorientierten Ansatz, um Betroffenen dabei zu helfen, ihre Sexualität trotz körperlicher Einschränkungen zu geniessen. Es legt den Fokus auf das Erlernen und Verändern von sexuellen Gewohnheiten, um neue Erregungsmuster zu schaffen. Besonders die Phase des Experimentierens im Rehabilitationsprozess lässt sich mit den Techniken des Sexocorporel gut verknüpfen.

Fazit

Die Sexualität von Menschen mit Querschnittlähmung mag sich verändern, aber sie ist keinesfalls verloren. Durch eine gezielte sexuelle Rehabilitation und Unterstützung durch Fachkräfte können Betroffene ein erfülltes Sexualleben führen. Mit der richtigen Einstellung und dem Mut, neue Wege zu gehen, können alte Normen überwunden und neue, lustvolle Erfahrungen gemacht werden.

Master Studentin MA6
Maria-Selina Scherrer

Originalarbeit:

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Disclaimer:
Dieser Artikel basiert auf einem Essay, das im Rahmen des ersten Semesters des Masters of Arts in Sexologie von einer Studentin verfasst wurde. Das vollständige Essay kann hier gelesen werden. Das Essay dient als Lernkontrolle nach dem ersten Semester und ermöglicht den Studierenden, ihr Wissen über die verschiedenen Aspekte der Sexualwissenschaft zu vertiefen und praktisch anzuwenden.