Kategorien
Essay Blogpost Sexualität

Wenn Lust nicht selbstverständlich ist – Was wir über sexuelles Verlangen wissen sollten

Was braucht es, damit sexuelles Verlangen entsteht – und bleibt?

Es gibt Momente im Leben, da fühlt sich Sexualität wie ein Feuerwerk an – und dann gibt es Phasen, in denen die Funken einfach nicht mehr aufblitzen.

Für viele Frauen ist das kein Randthema, sondern Realität: Laut einer deutschen Studie hat jede zweite Frau schon einmal vermindertes sexuelles Verlangen erlebt, bei jeder zehnten war es sogar stark beeinträchtigend. Damit gehört es zu den häufigsten Gründen, warum Frauen eine Sexualtherapie aufsuchen.

Lust, Begehren, Verlangen – drei Wörter, eine Bedeutung?

In der Fachliteratur tauchen verschiedene Begriffe auf: sexuelles Verlangen, sexuelles Begehren, sexuelle Lust. Die ersten beiden meinen im Wesentlichen dasselbe – den inneren Impuls, Sexualität zu erleben oder sich dafür zu öffnen. „Lust“ dagegen kann zweierlei bedeuten: die Lust auf Sex (Begehren) oder die Lust am Sex (das lustvolle Erleben währenddessen). 

Wie entsteht sexuelles Verlangen?

Die Forschung hat unterschiedliche Modelle entwickelt, um die sexuelle Reaktion zu beschreiben. Klassische Ansätze sehen Verlangen als Startpunkt, gefolgt von Erregung und Orgasmus.

Neuere, insbesondere auf Frauen zugeschnittene Modelle wie das von Rosemary Basson, stellen dieses Bild auf den Kopf: Viele Frauen starten nicht mit spontaner Lust, sondern gelangen erst durch Erregung und den passenden Kontext zu sexuellem Verlangen.

Entscheidend ist: Verlangen setzt fast immer voraus, dass Erregung vorhanden und als lustvoll wahrgenommen wird. Ob das gelingt, hängt von individuellen Lernerfahrungen, körperlicher Wahrnehmung und – ganz zentral – vom Kontext ab. Stress, unangenehme Umgebungen oder emotionale Distanz können den Prozess blockieren.

Wege, um die Lust (wieder) zu wecken

Die gute Nachricht: Sexuelles Verlangen lässt sich beeinflussen. Drei Hebel sind besonders wichtig:

Körperwahrnehmung schulen
Wer den eigenen Körper und die Signale des Genitalbereichs bewusst wahrnehmen kann, hat bessere Chancen, Erregung als lustvoll zu empfinden. Für Frauen können schon einfache Übungen helfen: den Venushügel ertasten, Beckenbodenmuskeln spüren, Wärme und Spannung bewusst registrieren.

Bewegung einbauen
Eine flexible Muskelspannung fördert die Durchblutung und intensiviert das Lustempfinden. Bewegung – ob allein oder mit Partner*in – kann also mehr sein als nur Vorspiel, sondern ein Schlüssel zur Luststeigerung.

Den passenden Kontext schaffen
Jede Frau hat ihre eigenen „Lustbedingungen“. Wer vergangene Erlebnisse reflektiert, kann herausfinden, welche äusseren Umstände und inneren Zustände Lust ermöglichen – und diese gezielt fördern.

Fazit: Lust entsteht dort, wo wir ihr Raum geben.

Sexuelles Verlangen ist kein fest verdrahtetes Talent, sondern ein Zusammenspiel aus Körper, Gehirn, Erfahrungen und Kontext. Wer versteht, wie diese Faktoren zusammenspielen, kann aktiv daran arbeiten, die eigene Sexualität erfüllter zu gestalten – für sich selbst und in Partnerschaften.

Master Student MA7
Sina Mathieut
Original Essay hier lesen:

Möchtest du mehr über solche Themen erfahren? Der Master of Arts in Sexologie bietet dir die Möglichkeit, dich intensiv mit sexualwissenschaftlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Melde dich jetzt für den Infoabend oder direkt für den Studiengang an!

Disclaimer:
Dieser Artikel basiert auf einem Essay, das im Rahmen des ersten Semesters des Masters of Arts in Sexologie von einem Student verfasst wurde. Das vollständige Essay kann hier gelesen werden. Das Essay dient als Lernkontrolle nach dem ersten Semester und ermöglicht den Studierenden, ihr Wissen über die verschiedenen Aspekte der Sexualwissenschaft zu vertiefen und praktisch anzuwenden.