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Zwischen Vertrautheit und Freiheit: Was Freundschaft-plus-Beziehungen ausmacht

Wie lässt sich in einer Freundschaft-plus das Knistern am Leben halten, ohne dass es die Freundschaft verbrennt?

Zwei Menschen kennen sich, vertrauen sich, lachen miteinander. Sie teilen Erlebnisse, Geheimnisse – und irgendwann auch das Bett.

Es ist keine Liebe im klassischen Sinn, aber auch keine flüchtige Begegnung. Zwischen Freundschaft und Beziehung entsteht ein Raum, in dem Nähe und Sexualität Platz haben, ohne dass feste Versprechen dazugehören.

Diese Form wird Freundschaft-plus genannt. Sie bewegt sich zwischen Vertrautheit und Unverbindlichkeit – und fasziniert gerade deshalb. Doch wie funktioniert sie, und welche Bedingungen braucht es, damit sie nicht an den eigenen Grenzen scheitert?

Was Freundschaft-plus bedeutet

Freundschaft-plus entsteht in der Regel aus einer bestehenden, vertrauten Verbindung. Zwei Menschen teilen Erlebnisse, kennen die Eigenheiten des anderen, vertrauen einander – und fügen ihrer Freundschaft eine sexuelle Ebene hinzu. Die Beziehung bleibt dabei frei von den formalen Verpflichtungen einer klassischen Partnerschaft, ohne dass sie an Nähe verliert.

Um diese besondere Dynamik zu verstehen, eignet sich Robert Sternbergs Dreieckstheorie der Liebe. Sie beschreibt jede Liebesbeziehung als Zusammenspiel von Intimität, Leidenschaft und Verpflichtung. In einer Freundschaft-plus sind die ersten beiden Komponenten meist deutlich spürbar: die emotionale Verbundenheit, die aus der Freundschaft gewachsen ist, und die Anziehung, die zu körperlicher Intimität führt. Die dritte Komponente, die bewusste Entscheidung für eine langfristige Bindung, tritt dagegen oft in den Hintergrund oder fehlt ganz. Genau diese Konstellation – vertraut und leidenschaftlich, aber ohne feste Verpflichtung – macht die Freundschaft-plus zu einer eigenen, klar unterscheidbaren Beziehungsform.

Warum sie so viele anspricht

Unsere Vorstellungen von Partnerschaft haben sich stark verändert. Liebe ist heute oft weniger an feste Strukturen gebunden, und persönliche Freiheit wird vielfach höher geschätzt als klassische Bindung.

In diesem Zusammenhang kann Freundschaft-plus eine interessante Alternative sein. Sie bietet die Möglichkeit, sexuelle Intimität innerhalb einer vertrauten und sicheren Verbindung zu erleben. Gleichzeitig sorgt sie für weniger emotionale Unsicherheit, wie sie in neu entstehenden Liebesbeziehungen oft vorkommt. Zudem ermöglicht sie eine Flexibilität, die es erlaubt, individuelle Lebenspläne weiter zu verfolgen.

Gerade Menschen, die Unabhängigkeit schätzen, finden in dieser Beziehungsform eine stimmige Balance zwischen Nähe und Freiheit.

Zwischen Chance und Herausforderung

Empirische Untersuchungen zeigen, dass Freundschaft-plus keine marginale Erscheinung ist. Beispielsweise berichten etwa 60 % der befragten Studierenden, bereits Erfahrungen mit dieser Beziehungsform gemacht zu haben. Viele gehen davon aus, dass die ursprüngliche Freundschaft trotz sexueller Komponente weiterhin bestehen bleibt.

Dennoch ist die Freundschaft-plus nicht frei von Risiken. So kann es zu einseitigen Gefühlsentwicklungen kommen, die nicht kommunizierten Erwartungen können zu Missverständnissen führen, und die Beziehung – einschliesslich der Freundschaft – kann dadurch belastet oder sogar beendet werden. Eine zentrale Rolle spielt deshalb die offene und klare Kommunikation über Bedürfnisse, Grenzen und Erwartungen. Insbesondere präventive Gespräche sind wichtig, um potenziellen Konflikten vorzubeugen und die Beziehung dynamisch an veränderte Umstände anzupassen.

Was sie stabil macht

Neben gegenseitigem Vertrauen sind Respekt und Wertschätzung grundlegend, die über die rein sexuelle Komponente hinausgehen.

Eine ehrliche Kommunikation, die auch Unsicherheiten und Zweifel offenlegt, ist essenziell. Zudem erfordert diese Beziehungsform eine gewisse Flexibilität und Bereitschaft zur Anpassung, wenn sich Gefühle, Bedürfnisse oder Lebensumstände verändern.

Unter diesen Bedingungen kann Freundschaft-plus zu einer Verbindung werden, die sowohl emotionale Leichtigkeit als auch eine gewisse Tiefe ermöglicht, ohne dabei die klassischen Erwartungen an eine feste Partnerschaft zu erfüllen.

Fazit: Freundschaft-plus funktioniert, wenn Nähe und Freiheit im Gleichgewicht bleiben.

Freundschaft-plus ist eine eigenständige Beziehungsform, die keine blosse Übergangslösung darstellt. Sie erfordert Klarheit, Offenheit und das Bewusstsein, dass Nähe und Verbundenheit auf vielfältige Weise gelebt werden können.

Wer die dafür notwendige kommunikative und emotionale Grundlage schafft, kann eine wertvolle Verbindung erleben, die sich deutlich von traditionellen Partnerschaftsmodellen unterscheidet, dabei aber nicht minder bedeutsam ist.

Master Studentin MA7
Besa Shehu

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Disclaimer:
Dieser Artikel basiert auf einem Essay, das im Rahmen des ersten Semesters des Masters of Arts in Sexologie von einer Studentin verfasst wurde. Das vollständige Essay kann hier gelesen werden. Das Essay dient als Lernkontrolle nach dem ersten Semester und ermöglicht den Studierenden, ihr Wissen über die verschiedenen Aspekte der Sexualwissenschaft zu vertiefen und praktisch anzuwenden.